… heißt eine kürzlich im Verlag Ullstein erschienene Streitschrift. Autor ist der 1960 in Meißen geborene Theologe Frank Richter. Am 8. Oktober 1989 war er Gründer der „Gruppe der 20“ in Dresden, von 2009 bis 2017 Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und kandidiert im Moment für den Posten des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt. Ich bin unter den Zuhörern, als er seinen Text im Sächsischen auf Gut Gödelitz einer sympathisierenden Hörerschaft vorträgt.
Auffällig wurde Richter als „PEGIDA-Versteher“, wurde seine Mühe, mit von Politikern leichtfertig und arrogant in die rechte äußerste Schublade geschobenen Unzufriedenen ins Gespräch zu kommen. Unzufrieden zum Beispiel mit der Scheinheiligkeit der vermeintlichen Volksvertreter. Oder mit ihrer schamlosen Metamorphose zu Lobbyisten für Großunternehmen, Geldinstitute und eine kleine, immer reichere Oberschicht in diesem Land. Oder mit einer einseitigen Berichterstattung über Eigenes und Fremdes, über Gier und Macht und Neid, wobei die gut situierten Berichter immer freiwilliger die Lieder des Establishments trällern, während die Demokratie sang- und klanglos in der Alternativlosigkeit verstummt.
Der Titel der Schrift, für den der Autor den Verlag verantwortlich macht, soll an „Empört euch!“ von Stéphane Hessel annüpfen. Auf mich wirkt er auf eine kindliche Art trotzig und flehentlich. So schreibt Frank Richter zum Glück nicht. Aber er nährt hier und da die Lesart, lieber auf einen Kompromiss aus zu sein, als Widersprüchlichem nachzugehen, ohne vorher das Gelände sondiert und sich für den Ernstfall abgesichert zu haben. Mündlich empfiehlt er, eigenes Wohlbefinden lieber nicht im politischen Engagement finden zu wollen, sondern im Zwischenmenschlichen. Daran, dass ‚Vorsicht die Mutter der Porzellankiste‘ ist, wird sich vermutlich nichts ändern. Nur dass inzwischen überwiegend Plastik in der Kiste steckt, mit dem ganz anders umgegangen werden muss!
Ich höre Richter zu, lese wenige Tage später die 90 Seiten am Stück und weiß danach: Grundsätzlich hält er notwendige gesellschaftliche Veränderungen mit dem Ziel eines zufriedenes Leben für alle innerhalb des Systems Kapitalismus für möglich. Ich nicht! Auch mir wären Wege hin zum Besseren, die durch Einsicht und Demut gewonnen werden, lieber, nur leider waren wir noch nie in der Lage, Konflikte auf diese Weise zu lösen oder am Entstehen zu hindern. Dass das gelingen könnte, fehlt mir der Glaube.