Die Rede der jungen Schwedin Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum vom 22. bis 25. Januar in Davos ist – gleich aus welcher Perspektive – die mir wichtigste in den letzten Jahren. Mutig und klug sprach die Sechzehnjährige gegen die Wahrscheinlichkeit, dass die heutige die letzte Zeit für uns ist. Sie sprach gegen SelbstSucht, SchönFärberei und vorsätzliche Täuschung. Sie sprach für die Sprachlosen und Schamhaften, für die Angetriebenen und Verjagten, für die Schweigende Mehrheit in Furcht einflößendem Geschrei:
„Ich spreche im Namen der Initiative ‚Climate Justice Now‘. Viele Menschen sagen, dass Schweden nur ein kleines Land ist und dass es egal ist, was wir tun. Aber ich habe gelernt, dass man nie zu klein dafür ist, um einen Unterschied zu machen. Wenn ein paar Kinder auf der ganzen Welt Schlagzeilen machen können, indem sie einfach nicht zur Schule gehen, dann stellt euch vor, was wir gemeinsam erreichen könnten, wenn wir es wirklich wollen würden. Aber um das zu tun, müssen wir klar sprechen, ganz egal, wie unangenehm das sein mag.
Ihr sprecht nur von grünem, ewigem Wirtschaftswachstum, weil ihr zu viel Angst davor habt, euch unbeliebt zu machen. Ihr sprecht nur darüber, mit den immer gleichen schlechten Ideen weiterzumachen, die uns in diese Krise geführt haben, und das, obwohl die einzige vernünftige Entscheidung wäre, die Notbremse zu ziehen. Ihr seid nicht einmal erwachsen genug dafür, die Wahrheit zu sagen. Sogar diese Bürde überlasst ihr uns Kindern. Aber mir ist es egal, ob ich beliebt bin. Ich will Gerechtigkeit in der Klimafrage und einen Planeten, auf dem wir leben können. Unsere Zivilisation wird dafür geopfert, dass ein paar wenige Menschen auch weiterhin enorme Summen an Geld verdienen können. Unsere Umwelt wird geopfert, damit reiche Menschen in Ländern wie meinem im Luxus leben können. Es ist das Leid vieler Menschen, das für den Luxus dieser wenigen Menschen bezahlt.
Im Jahr 2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern. Falls ich Kinder habe, werden sie diesen Tag vielleicht mit mir verbringen. Vielleicht werden sie mich nach euch fragen. Vielleicht werden sie fragen, warum ihr nichts unternommen habt, solange es noch Zeit gab, um zu handeln. Ihr sagt, dass ihr eure Kinder über alles liebt. Trotzdem stehlt ihr ihnen ihre Zukunft, direkt vor ihren Augen. Solange ihr euch nicht darauf konzentriert, was getan werden muss, sondern darauf, was politisch möglich ist, gibt es keine Hoffnung. Wir können keinen Ausweg aus einer Krise finden, wenn wir sie nicht wie eine Krise behandeln. Wir müssen die fossilen Brennstoffe im Boden lassen, und wir müssen uns auf Gerechtigkeit konzentrieren. Wenn Lösungen in diesem System so unmöglich zu finden sind, dann müssen wir vielleicht das System ändern.
Wir sind nicht hierhergekommen, um die Spitzenpolitiker der Welt anzubetteln. Ihr habt uns in der Vergangenheit ignoriert, und ihr werdet uns wieder ignorieren. Euch gehen die Entschuldigungen aus, und uns geht die Zeit aus. Wir sind hierhergekommen, um euch wissen zu lassen, dass Veränderung kommen wird, ob es euch gefällt oder nicht. Die echte Macht liegt bei den Menschen.“
Das Video von „Zeit im Bild“ des österreichischen Rundfunks 3:19 Minuten lang, das der „Bildzeitung“, von dem ich die Übersetzung abgeschrieben habe, nur 2:19 Minuten. Der letzte Satz im vorletzten Absatz wird gar nicht übersetzt. Seine zweite Hälfte im „Zeit im Bild“-Video mit: „… dann müssen wir vielleicht das System ändern“. „Vielleicht“ sagt Greta Thunberg aber gar nicht, sondern: „… change the system itself“. Immerhin übersetzt der Berliner „Tagesspiegel“ das korrekt: „Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern.