Vielleicht war die Vorfreude zu groß. Vielleicht lag es an meiner naiven Erwartung, die angekündigte Detailschärfe auf seinen extrem großen Farbfotos auch in nächster Nähe noch zu finden. Fand ich aber nicht. Unbenommen bleibt der tiefe Eindruck, den Gurskys Bilder hinterlassen haben.
Es bleibt, eine seltene Qualität von Fotografie, der Eindruck, die meisten seiner Bilder enthielten die Quintessenz unserer planetaren Lebensweise, mehr als jeder noch so große virtuelle Speicherstick. Staunend und ergriffen, mit Bedenklichkeit und Unbehagen, nahm ich sie wahr und komme nicht umhin, diese Gefühlsmelange als Konfrontation aufzufassen. Nur gering ist meine Chance, ihr auszuweichen. Will ich gar nicht!
1955, da war ich Sechs, kam Andreas Gursky in Leipzig zur Welt. Sein Großvater Hans hatte in Taucha ein Fotoatelier. Sein Vater Willy, der an der zwischen den Weltkriegen unter dem Namen „Akademie für Grafische Künste Leipzig“ firmierenden heutigen „Hochschule für Grafik und Buchkunst“ studierte, ging im selben Jahr 1955 mit der Familie nach Westdeutschland und wurde Werbefotograf in Düsseldorf.
Andreas immatrikulierte sich 1977 an der Folkwang-Universität in Essen, blieb in elterlicher Nähe und ging künstlerisch weiter. Seit den 1980er Jahren dokumentiert er die Eingriffe des Homo sapiens in die planetare Natur und zwar nicht vordergründig als Verletzungen oder Chancen, sondern mit Erstaunen, ja mit Ergriffenheit, in denen die Wirklichkeit vor allem als Willensakt begutachtet wird.
Womit ich, aus anderer Perspektive, wieder beim menschlichen Willen bin. Einerseits löst er mich sukzessive aus Verknüpfungen, andererseits scheint er mir verhängnisvoll anzuhaften. Beides könnten Einbildungen sein, aber dann so perfekte, so suggestive, dass ich die Rolle des Betrachters gar nicht wirklich einnehmen kann. Betrachtung wie Umgebung werden von Gurskys Fotos absorbiert.
Bei „Rhein III“ muss ich mir noch die Augen reiben, zweimal schauen, in „Les Mées“ ist es offensichtlich und in „Cocoon I“ sind beide Seiten, Fotografie und Umgebung, nicht mehr zu trennen, aufeinander angewiesen. Nicht einmal Handeln mehr ist nötig für die Durchdringung, Wandeln umher reicht bereits aus, um das arglos begonnene in ein Geschehen aufzuweiten, das bejahend und in Frage stellend gleichermaßen ist. Was tue ich (hier) und wie weit kann ich (damit) kommen?
Die Antwort, so schlüssig sie ist, überrascht mich dann doch. Das grafische Video zum Musikstück „Wurlitzer“ von Leifur James fällt mir ein, hilfreich an dieser Stelle. Vor allem die letzte Sequenz, wo sich in letzter Konsequenz, nach vier in Atem haltenden Minuten, das Wesentliche ereignet: wie das Menschenwesen sich abnabelt, sich losreißt – befreit? Um in Lichtes zu treiben. Zu fliegen? Zu stürzen? Oder in Lautloses, in Nichts, das dann die Zukunft all dessen wäre, was bisher wurde und ist. So gesehen, so gefühlt, so gefunden in dem, was wir ‚Dasein‘ nennen.
Andreas Gursky hütet sich, Unmögliches zu versuchen: im Rahmen halten, was überquillt, vor Augen halten, was vergeht. Stattdessen entdeckt er vor und hinter seinen Flächen den Ereignisraum, in dem sogar gelingen kann, was geschieht und gibt ihm präzise Namen wie „Frankfurt“ (2007), „Bangkok I“ (2011), „Ruhrtal“ (1989), „Les Mées“ (2016), „Hong Kong Shanghai Bank II“ (2020), „Amazon“ (2016), „Rhein III“ (2020), „Salerno“ (1990), „Cocoon I“ (2007).
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