Während ich im Jahr 2010 „Der Hass auf den Westen“ las, versuchte ich mir ein Bild von dem Menschen Jean Ziegler zu machen. Lange nicht mehr hatten Worte mich so ergriffen, und manches Licht war mir aufgegangen bei der Lektüre, bei der Entdeckung der geschichtsmächtigen Kraft, die er den ehemaligen Kolonialvölkern zuschreibt und inständig hofft, dass sie erwachen und die globale Weltordnung für eine lebenswerte Zukunft der Menschheit ändern mögen.
Zieglers Sätze sind frei von der heuchlerischen Friedfertigkeit, mit der wir ‚Westler‘ nur den eigenen Wohlstand meinen, wenn wir von Globalisierung sprechen. Aus Zieglers Sätzen spricht Mut zum qualifizierten Zweifel an der Ordnung, die wir der Welt aufdrängen und Mut zum rücksichtslosen Diskurs. Das flößte mir Vertrauen ein, so viel, um die Spur, die sie legen, aufnehmen und mit eigenen Schritten und Worten fortsetzen zu wollen.
Knapp fünf Jahre später ergab sich die Gelegenheit, Jean Ziegler zu begegnen. Unverdrossen und anscheinend sogar mit Vergnügen parierte er während der Leipziger Buchmesse im Museum der bildenden Künste unter dem Bild „Schilfkind“ von Neo Rauch aus dem Jahr 2010 die süffisante Arroganz des Rundfunkmoderators Thomas Bille, der ihn gern in der gut vorbereiteten Schublade der Kapitalismuskritik hätte verschwinden lassen, um für den Rest des Abends seine unverdiente Ruhe zu haben.Stattdessen nutzte Ziegler sein intellektuelles und menschliches Ausmaß, um mit dem neuen Buch „Ändere die Welt!“ sein Auditorium auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen: auf die Chance eines jeden, die Gegenwart bewältigen zu können, ohne sie vergewaltigen zu müssen; auf die Chance, die Zukunft gewinnen zu können, ohne sie besiegen zu müssen.
Den inzwischen Achtzigjährigen erlebte ich so, wie jemand sein muss, der so überzeugend schreibt: kraftvoll, gütig, geduldig, neugierig, zornig. So kraftvoll, dass er immer noch weit Jüngeren auf die Sprünge hilft. So gütig, dass Verwirrte und Verirrte ihm dankbar die Hände reichen. Geduldig genug, um sich den Schwierigkeiten auszusetzen, die sie ihm bereiten und eigenes Wohlbefinden hintan zu stellen. Neugierig wie eh und je auf jeden Mitmenschen und auf jeden seiner Versuche, die Zukunft offen zu halten. Uneingeschränkt zornig auf Ungerechtigkeiten und nimmer bereit, sich damit abzufinden.
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Ja, Jan Ziegler ist schon eine imposante Erscheinung und ein unermüdlicher Mahner. Am eindruckvollsten ist sein Appell an uns alle, endlich zu verstehene, dass wir alle struktureller Gewalt unterworfen sind. Diese haben wir selbst geschaffen und müssen dies auch seibst ändern. Nur bleibt die Frage unbeantwortet, wer sich hier an die Spitze setzt. Von allein werden weder die Afrikaner noch die aufgewachten Jugendlichen Europas oder Amerikas etwas tun können, um die Struktur unserer kapitalstiischen Welt zu ändern. Zumal diejenigen, denen diese strukturelle Gewalt in die Karten spielt, mit ihren immensen Geldmitteln alles tun werden, um eine Veränderung zu verhindern. Derzeit treiben diese Kräfte die Welt von einem lokalen Konflikt zum nächsten. Da bleibt keine Zeit zum strukturellen Umbruch.