„57. Biennale Venedig“ 3

Die Beschreibungen nationaler Präsentationen sind nicht wertend gemeint. Sie sollen das Spektrum zeigen und die vielfache Nähe der Arbeiten zu aktuellen Ereignissen und Befindlichkeiten, die auf bevorstehende Veränderungen in der Gesellschaft aber auch des Individuums deuten. Nichts wird bleiben wie es ist und das Absehbare gibt Anlass zu großer Achtsamkeit und Sensibilität. Ich habe den Eindruck, dass das weltweit erkannt und kaum noch verdrängt oder überspielt wird, sondern ein hauptsächliches Anliegen dieser Schau ist. Sie kommt meiner Idee nahe, in der Vielfalt Ähnlichkeiten zu finden, sie in realen oder virtuellen Räumen, auf ‚Plateaus‘,  zu versammeln, von da aus (global) miteinander zu kommunizieren und (global) verträglich zu handeln, im Gegensatz zu hierarchisch strukturierten Systemen, wo Macht dominiert und mit einer Herrschaftskultur (globale) Dominanz absichern will.

Zwei Beiträge und mit ihnen zwei Künstler möchte ich allerdings hervorheben, weil sie für mich einen so hohen Eigenwert haben, dass ich sie mir gut als Ansatz und Richtungsgabe für den kreativen Umgang mit den nahenden globalen Veränderungen vorstellen kann.

Das gemache Getriebe in den Giardini kommt im belgischen Pavillon auf außergewöhnliche Weise zur Stille (kein Stillstand!). Von großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien, die Betitelungen nicht benötigen, geht diese Stille aus, von Dirk Braeckman geschaffen. Das besondere an ihr ist, dass sie weder aufsaugt noch zum Verstummen bringt. Stattdessen entstehen und übertragen sich Schwingungen, die der Physiker gedämpft harmonisch nennt, weil ihre Amplitude sich bei gleichbleibender Frequenz systematisch und ganz unspektakulär einem Nullwert nähert.

Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um präzise Inszenierungen, in denen der Künstler ausgesuchte Körper und Muster auf gewisse Weise arrangiert. Betörend sicher und betörend sanft verwebt er Hintergründe mit Vordergründen, Perspektiven mit Mustern, Körperliches mit Textilem, Raum mit Landschaft, Berührungsanreiz mit Distanzgebot. Silbern schimmerndes Schwarz sorgt dafür, dass die Fusionen gelingen, ein Dunkel, das alles andere als finster ist – so wie Dirk Braekmans Stille alles andere als still ist.

Was für eine leise große Stimme erhebt sich da – noch von dieser Welt oder von der nächsten schon? Nichts scheint sie mehr überstrahlen und übertönen zu müssen, um hell und laut genug zu sein. Weil sie in jeden Lichtfleck und jeden Laut eindringt. Weil sie Glanz und Lärm der Welt unterwandert, listig und elegant. Ich muss an die Filme von Michael Haneke denken.

 

Ein Gedanke zu „„57. Biennale Venedig“ 3

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