„Sie hat uns gesagt, dass sie es in Erwägung ziehen wird, zu versuchen, mutiger zu sein“, zitiert „Zeit Online“ (© dpa-infocom, dpa:200820-99-233587/9a) die Belgierin Adélaïde Charlier am heutigen 20. August. Zuvor war sie eineinhalb Stunden bei der deutschen Kanzlerin. Den Termin iin ihrem Amt, genau zwei Jahre nach dem ersten freitäglichen Schulstreik von Greta Thunberg für das Klima, bekam die belgische FFF-Aktivistin gemeinsam mit ihrer Landsfrau Anuna De Wever, der Schwedin und der Deutschen Luisa Neubauer.
„Wir wollen, dass Anführer aktiv werden und die Klimakrise wie eine Krise behandeln“, sagte Greta Thunberg nach dem Treffen. „Beide Seiten waren sich einig, dass die Erderwärmung eine globale Herausforderung ist, bei deren Bewältigung den Industriestaaten eine besondere Verantwortung zukommt“, ließ Frau Merkel verlauten. „Es wurde sehr deutlich, dass wir von verschiedenen Perspektiven auf die Situation schauen“, kommentierte Luisa Neubauer zurückhaltend. Sie hätten der Kanzlerin gesagt, dass es Anführer brauche, die den Mut zu harten Entscheidungen hätten, ergänzte die Belgierin Charlier. Und nun?
Anlass des Treffens war ein offener Brief, den die vier FFF-Aktivistinnen am 15. Juli veröffentlichten, zwei Tage vor dem EU-Sondergipfel, auf dem dann 750 Milliarden Euro zur Bewältigung der Corona-Krise verteilt wurden, die vorher keiner der Staats- und Regierungschefs in der Tasche hatte und im Kopf keine brauchbare Idee im weiteren Umgang mit der Klima-Krise. „Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben im Moment keinen Budget- und keinen CO2-Plan und kein wirtschaftliches Konzept, die im Einklang mit Paris sind“, twitterte Luisa Neubauer.
Der Brief ist überschrieben mit „Face the Climate Emergency“ und umfasst sieben Forderungen, unter anderem keine weiteren Subventionen für den Abbau fossiler Energieträger und Angaben der Emissionen in allen Bereichen, auch für Konsumgüter. Außerdem fordern die Aktivistinnen, dass „Ökozid“ – das sind Verbrechen gegen die Umwelt, die etwa durch extrem hohe industrielle Verschmutzung, durch Kampfstoffeinsätze oder die Vernichtung eines Ökosystems sogar zum Aussterben von Völkern führen können – vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Straftat anerkannt wird. Vor allem Indigene sind davon bedroht.
Zu den Erstunterzeichner*innen des Briefes gehörten rund 150 Prominente, Politiker*innen, Organisationen und Wissenschaftler*innen, darunter die Frauen- und Menschrechtsaktivistinnen Malala Yousafzai und Nadia Murad, die Sängerin Billie Eilish, der Schauspieler Leonardo DiCaprio, die Schriftstellerin Margaret Atwood. Mittlerweile haben über 124 000 Menschen aus 50 Ländern unterschrieben.
Europa habe die wirtschaftlichen Grundlagen, beim Klimaschutz voranzugehen aber auch die historische Verantwortung, sagen die Verfasserinnen. Sie kritisieren den „Green Deal“, den Klimaschutzplan der EU-Kommission und das dazugehörige EU-Klimagesetz, das im Rahmen der laufenden deutschen Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres verabschiedet werden soll. Die EU müsse nicht erst 2050, sondern schon 2035 klimaneutral sein, damit Länder im Globalen Süden, die von der Klimakatastrophe am stärksten betroffen sind und sein werden, die Chance haben, in der wirtschaftliche Entwicklung und dann auch im Klimaschutz nachzuziehen.
Im Brief wird auch betont, dass die Klimakrise nur gelöst werden kann, wenn man sich nicht nur auf Umweltthemen konzentriert, sondern Änderungen in anderen politischen und sozialen Bereiche einbezieht. „Klima- und Umweltgerechtigkeit können nicht erreicht werden, wenn wir weiterhin die sozialen und ethnischen Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen ignorieren, die das Fundament unserer modernen Welt bilden“, heißt es.
Am 25. September soll es den nächsten internationalen Klimaaktionstag der FFF-Bewegung geben. Und dann?
EU ist kein Synonym für die Menschen auf dem europäischen Kontinent und FFF kein Synonym für eine Generation, die begreift, was auf dem Spiel steht, wenn weiter so gelebt wird wie bisher. Beide sind kein Synonym für die Aussicht, dass in absehbarer Zeit aus wissenschaftsbasierten Analysen und Prognosen ein vernunftbasiertes Handeln erwachsen könnte. Sind Menschen in der Lage, sich als Menschheit zu begreifen. Jean Paul Sartre’s nachgewiesenes „Gemeinsames Individuum“ scheint über Kleinstgruppen nicht hinauszureichen.
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