„Geliebte Köchin“

Schon einmal verfilmte der französische Regisseur vietnamesischer Herkunft Trần Anh Hùng die Beziehung zweier Menschen anhand einer Speise-Zubereitung. 1994 wurde „Der Duft der Grünen Papaya“ als vietnamesischer Beitrag in der Kategorie „bester fremdsprachiger Film“ für einen Oscar nominiert und als „wunderbarer Film, intensiv und zart“ wahrgenommen. Die französische Wochenzeitung Le Nouvel Observateur feierte ihn als „ein wahres Meisterwerk“.

In „Geliebte Köchin“ (Originaltitel: „La passion de Dodin Bouffant“) sind der im 19. Jahrhundert lebende Gourmetkoch Dodin Bouffant und seine Lebensgefährtin Eugénie ein Paar, das in ihrem ländlichen Refugium in schöner Regelmäßigkeit die Freunde des Gaumenmeisters, manierliche Lebemänner, mit gemeinsamen Kochkünsten entzückt. Von Anfang bis Ende sind ausgeklügelte Zubereitungen und Menüfolgen zugleich Metaphern für Leben, Liebe und Tod, serviert in Bildern, die ich auf wundersame Weise rieche und schmecke wie ein Synästhet.

Darüber hinaus spielt mir der Film, beispielhaft, die Gewissheit zu, in einer prägenden und formenden Umgebung eine Lebensweise entwickeln zu können, die auf Hochachtung beruht. ‚Hochachtungsvoll‘ nicht in der Art jener aus amtlichen Schreiben bekannten Schlussfloskel, sondern als eine grundsätzliche Wertschätzung für die, mit denen ich umgehe, um sie ihnen gleichzeitig als Verpflichtung aufzuerlegen. Erst das kann ein Miteinander schaffen, aus dem im Glücksfall Freundschaft und im Ernstfall Liebe wird.

Da gibt es wenig Komisches und gar nichts Lächerliches, doch fortwährend Grund zur Freude. Freude an der Entdeckung, dass Umgebungen nicht notwendig Herr- und Gefangenschaften sein müssen und ebensowenig Hierarchien, in denen wir uns – immer schon? – bewegen, sondern dass sie erst mit uns zumeist enttäuschend und entsetzlich werden. Vor allem ist bedenklich, dass die heute weltweit dominanten Hierarchien offensichtlich ungeeignet sind, vernünftig miteinander und mit Grenzen, die die Natur uns setzt, umzugehen und an die wir umso häufiger stoßen, je mehr wir sind.

Diese Erkenntnis nützt so lange nichts, solange uns weiterhin beinahe jede Eigenbewegung ‚aus den Latschen kippt‘. Erstaunlicherweise gelingt es diesem Film, zu zeigen, dass inneres und äußeres Gleichgewicht halten nicht nur möglich ist, sondern sogar ein Vergnügen sein kann. Haben wir ausreichend Platz, Geduld und Mut, kann unser Leben tatsächlich gut gehen.

Was wäre plausibler, als das am Beispiel des Notwendigsten zu zeigen, den Lebensmitteln. Mit ihrer Kultivierung in der Bouffant’schen Küche wird nicht nur Arbeit ein- und aufgeteilt, sondern von der einfachsten Handreichung bis zur genialen Inspiration ein Umgang gepflegt, der alle Beteiligten ins stolze Bewusstsein ihrer Mitwirkung an der kulinarischen Schöpfungsgeschichte versetzt.

Heißt nicht, dass diese Geschichte ein friedliches und harmonisches Eiapopeia wäre. Das war die Welt noch nie und nirgends. Vielleicht ist das ja unser großes Missverständnis, seit wir denken. Seit wir merken, dass guter Wille nicht ausreicht und böser zum Desaster wird, das wir mit aller Macht verhindern wollen und mit aller Macht versuchen, nichts falsch zu machen und doch nicht anders können, als Widersprüche gegeneinader auszuleben, sobald uns Enttäuschung ergreift. Jedesmal wieder bin ich dann ratlos und wütend und verderbe lieber, als mich zuzumuten und mitzuteilen.

Am Ende leuchten die Gesichter der Zuschauer und ein Gefühl kommt auf, zeitlose 135 Minuten lang an einem Kammerspiel beteiligt gewesen zu sein und jetzt, am inzwischen wieder geschlossenen Vorhang vorbei, etwas anders hinaus ins Freie zu gelangen, so dass es nicht mehr sein kann, wie es war.

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