Pilotprojekt BGE. Ergebnisse

In Deutschland sprechen sich regelmäßig 42 bis 52 Prozent der Bevölkerung dafür aus, ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen. (Quelle: IMAGO/Michael Gstettenbauer) Drei Jahre lang haben 107 Menschen in Deutschland 1200 € im Monat erhalten, steuerfrei und ohne Bedingungen. Im August 2020 schrieb ich zum Start des Experiments in diesem Blog den Beitrag „Pilotprojekt BGE“. Jetzt ist es abgeschlossen und ausgewertet.

Die erfolgreichen Gegner eines BGE argumentieren, dass wer regelmäßig Geld geschenkt bekommt, sich auf die faule Haut legt und das Ganze sowieso nicht finanzierbar sei. Wer sich für ein BGE interessiert, weiß es besser. Auch dass diese Studie „das bisher größte zivilgesellschaftliche Experiment seiner Art weltweit“ sei, so zu lesen am 23.08.2023 auf www.t-online.de, ist falsch. (Richtiges zum Thema steht in meinem Essay „Der Club of Rome und meine Liebe zur sphärischen Geometrie“, erschienen 2018 in der AT Edition Münster, ISBN 978-3-89781-263-5, Seiten 100 bis 102 und 120.)

Ebenso richtig ist, dass wir jetzt erst wirklich wissen: Auch die Deutschen arbeiten lieber weiter, bilden sich fort, fühlen sich und sind psychisch gesünder mit dem BGE. „Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zur evidenzbasierten Versachlichung der Debatte um das Narrativ des Grundeinkommens“, sagt der Studienleiter Prof. Dr. Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und: „Es wäre wünschenswert, wenn in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hoffentlich künftig verstärkt faktenbasiert gestritten würde.“ Er hat ja so recht.

Die 1687 Teilnehmer:innen an der Studie waren zwischen 21 und 40 Jahre alt und berufstätig mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1100 € und 2600 €. Davon 1580 Personen bildeten eine Vergleichsgruppe ohne Grundeinkommen. Das DIW, die Wirtschaftsuniversität Wien, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der University of Oxford, die Frankfurt School of Finance & Management und die Universität Köln werteten die Ergebnisse aus.

DIE WICHTIGEN ERGEBNISSE

Keine Reduzierung der Arbeitszeit: Das Grundeinkommen führt nicht in die selbstgewählte Arbeitslosigkeit. Der Unterschied beim Anteil der Erwerbslosen zwischen der Grundeinkommens- und der Vergleichsgruppe ist so gering, dass er nicht statistisch signifikant ist. Auch arbeiteten die Menschen mit Grundeinkommen nicht weniger – entgegen der häufigen Kritik am BGE.

Mehr Zufriedenheit: Viele in der Grundeinkommensgruppe waren zufriedener mit ihrer Arbeit und nutzten die Freiheit, sich weiterzubilden.

Besseres Wohlbefinden: Weniger Stress, besserer Schlaf, mehr Zeit für soziale Kontakte – fast vier Stunden pro Woche mehr als die Vergleichsgruppe.

Stärkere finanzielle Sicherheit: Der Anteil der Menschen mit einem Vermögen unter 10 000 € sank von 27 auf 13 Prozent. Viele begannen zu sparen oder zu investieren.

Mehr Großzügigkeit: Menschen mit BGE gaben im Schnitt 125 € pro Monat an andere weiter – doppelt so viel wie die Vergleichsgruppe.

„Damit stabilisiert das BGE nicht nur Einzelpersonen, sondern kann unsere Gesellschaft und Wirtschaft zukunftsfähig machen“, sagt Klara Simon, Vorstandsvorsitzende des Vereins.

Der Frage, ob ein BGE in Höhe von 1200 € dauerhaft und für die gesamte Gesellschaft umsetzbar ist, geht das DIW seit Frühjahr 2022 in einer Mikrosimulationsstudie nach und kommt zu dem Schluss, dass es finanzierbar ist. „Die Frage ist nicht, ob ja oder nein, sondern wie“, sagt Miriam Witz, Projektentwicklerin im gemeinnützigen Verein „Mein Grundeinkommen“. Vereinsgründer und Projektentwickler Michael Bohmeyer sagt: „Der entscheidende Punkt für uns ist: Ein finanzierbares Modell heißt nicht, dass alle Menschen unterm Strich mehr Geld haben.“

Wie sich die Kosten von rund einer Billion € pro Jahr (Der gesamte Bundeshaushalt beläuft sich auf 1,8 Billionen €) decken lassen und welche Einkommensschichten dadurch belastet und welche entlastet werden könnten, zeigt das interaktive Online-Tool https://finanzierung.mein-grundeinkommen.de/.

PROGNOSE

Die Phalanx der Gegner des BGE wird weiter erfolgreich sein, auch wenn ihre Vorbehalte nicht auf Lebenswirklichkeit und Erkenntnis beruhen. Warum? Weil die Gemeinschaften, in denen wir heute leben, das Interesse an sich selbst stärker entwickeln als ein gemeinsames Handeln im Interesse der Spezies und am Lebendigen überhaupt, ohne das auch wir keine Zukunft haben.

Und weil diese Gemeinschaften wiederum diejenigen hervorbringen, die mit dem BGE etwas ihnen sehr Wichtiges, ihr Leben Prägendes, zu verlieren haben: Privilegien, Wohlstand, Macht. Die Menschen, die das Sagen haben. Dass sie freiwillig darauf verzichten werden, ist eine Illusion.

Dennoch kann das BGE kommen, allerdings nicht einer Einsicht wegen, sondern erst in dem Moment, in dem die Gemeinschaft nicht mehr in der Lage ist, auf gewohnte Weise – durch Erhalt von Privilegien, Wohlstand und Macht – in der Wirklichkeit zu bestehen. In Ereignissen, die keinem mehr gestatten, so weiterzuleben wie bisher, sondern nur mit einer bedingungslosen Verteilung von Wohl und Wehe.

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